Tanzkritik

Sie fordern „Justice“! Eine dokumentarische Oper von Milo Rau

Ein spartenübergreifendes, sozial inklusives und ökologisch orientiertes Programm verspricht die Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur. Der Auftakt gelang mit der vielschichtigen Oper „Justice“ am 30. April im Festspielhaus.

Kupfer, Diamanten, Kobalt, Gold – Bodenschätze des Kongos sollen für den Globalen Norden abgebaut werden. Die damit einhergehenden Folgen für Mensch und Umwelt vor Ort werden in der Oper „Justice“ des Regisseurs Milo Rau verhandelt. Konkret: ein mit Schwefelsäure beladener Transporter war vor fünf Jahren in der Region Katanga in einen Unfall verwickelt. In Folge starben 21 Menschen. Zahlreiche Verletzte sind nicht mehr arbeitsfähig und massive Umweltschäden entziehen Landwirt:innen die Lebensgrundlage. Gerechtigkeit und finanzielle Entschädigung gibt es bis heute nicht. Eine von Milo Rau initiierte Kampagne soll die Menschen vor Ort unterstützen.

Ein großer Tisch für ein Wohltätigkeitsdinner und ein umgekippter Lastwagen prägen das Bühnenbild. Der Operngesang und festliche Kostüme nehmen das Publikum mit in eine scheinbar imaginäre Welt. Jedoch sind die Geschichten, die hier erzählt werden, Realität. Der Familienvater, der seine Beine verloren hat, kann seine Familie nicht mehr ernähren. Die Mutter, deren Kind verstorben ist, trauert schmerzvoll. Eingespielte Videoaufnahmen der direkt Betroffenen im Kongo holen das Publikum zurück in die Wirklichkeit.

Das wortgewandte Libretto des kongolesisch-österreichischen Schriftstellers Fiston Mwanza Mujila und die Komposition von Hèctor Parra werden von den Akteur:innen stimmgewaltig in fünf Akten vorgetragen. So etwa vom Countertenor Serge Kakudji, der im Vorfeld von seinen eigenen Erfahrungen in kongolesischen Minen erzählt und nach wie vor in Kontakt mit jenem Mann ist, der bei dem Lastwagenunfall seine Beine verloren hat und den er auf der Bühne verkörpert.

Das Stück konfrontiert die Zuseher:innen mit dem eigenen Lebensstil, bringt dessen Auswirkungen auf die Bühne und stimmt pessimistisch. Während der fast zweistündigen Vorstellung, interpretiert vom Tonkünstler Orchester Niederösterreich, ließen nur die wenigen Gitarrenklänge von Kojack Kossakamvwe Luft zum Verschnaufen. Aber ums Verschnaufen geht es bei „Justice“ nicht. Stattdessen durften wir ein kraftvolles Stück in permanenter Anspannung, Wut, Trauer und Ohnmacht erleben.

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