Oder geht es da um zwei unabhängige Geschichten? Die Konturen der Handlung mögen unscharf sein, sonnenklar ist dafür die Genialität der Zusammenarbeit zwischen Theatermacher Jonathon Young und Choreografin Crystal Pite.

Der Vorstellungskraft scheinen am 9. Mai im Festspielhaus keine Grenzen gesetzt zu werden. Das zeigt sich schon allein an dem Bühnenbild, das auf den ersten Blick mit seinen Notausgängen und dem Basketballkorb wie eine Schulturnhalle wirkt. Doch in der Mitte der abgenutzten Wand befindet sich ein großer Rahmen, dessen Vorhang sich bald öffnen wird, um eine zweite Bühne dahinter zu enthüllen. Die goldenen Buchstaben einer Standarte verraten: Wir befinden uns genau in der „Assembly Hall“, die dem Stück seinen Namen gibt.  

Die Tänzer:innen von Pites Ensemble „Kidd Pivot“ versammeln sich hier in Gestalt von acht ambivalenten Figuren, die zum jährlichen Treffen ihres Reenactment-Clubs kommen. Aufgezeichnete Stimmen hallen durch den Raum, während ihre Körper allmählich zu Resonanzkörper werden. Die Wörter scheinen in ihre Muskeln hineinzufließen, diese plötzlich anzuspannen, um sodann in breite, spiralförmige Bewegungen auszulaufen. So wie ein Dominostein alle anderen in Bewegung setzt, wirkt sich die Bewegung eines Einzelnen auf die gesamte Gruppe aus.

An der Tagesordnung stehen zwei Punkte: Die Organisation der „Quest fest“, ein mittelalterliches Reenactment und die Auflösung des Vereins. Die Einzige, die sich dagegen wehrt, ist Gail. In einem Wutanfall gefangen, wirft sie mit einer raschen Handbewegung einen mit Pomp und Prunk gedeckten Tisch in die Luft. Als ob irgendjemand von außen die Pausentaste betätigt hätte, bleiben Kandelaber und Teller jedoch in der Luft hängen. Ein geschicktes Lichterspiel versteckt die Körper der Tänzer:innen, die mit einer minutiösen Koordination dem Publikum ein Moment von bewundernder Überraschung gewährleisten. 

Das Thema der Abwesenheit zeigt sich immer wieder, sei es in Form eines Stuhls, der nicht besetzt werden kann, oder eines berührenden Duetts mit nostalgischem Einschlag. Die Körper der zwei Tänzer:innen verschlingen einander dabei mit einer solchen Leichtigkeit, dass es wirkt, als würden sie schwebend in der Luft tanzen. „Assembly Hall“ ist eine Tanzaufführung auf höchstem Niveau, die mit einer fesselnden Storyline verschmilzt und das Potenzial des Theaters in seiner wundervollen Gesamtheit ausschöpft.

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